Bleib auf dem Boden: Interview mit der Teppich-Designerin Franziska Reuber
Zimmerschau im Interview mit der Teppich-Designerin Franziska Reuber. Sie erklärt, warum die weiche Ware wieder en vogue ist und was ein teures Modell von einem billigen unterscheidet
Was bedeuten Teppiche für Sie?
Zu meiner Studienzeit waren Teppiche für mich symbolisch aufgeladene Orte, räumlich begrenzt und nomadenhaft mobil. So galt der Gartenteppich im alten Persien den Nomaden in der Wüste als Ersatz blühender und fruchtbarer Gärten. Heute sind Teppiche für mich die schönsten Einrichtungsgegenstände. Neben ihrer Wärme und Gemütlichkeit definieren sie auch ein Zimmer.
Welche Bedeutung haben die warmen Fußschmeichler in unserer Geschichte?
Man muss unterscheiden zwischen den Teppichen aus traditionellen Gegenden und den modernen Modellen. Afghanische Kriegsteppiche sind quasi Zeitzeugen der neuen Geschichte Afghanistans. Gobelins bildeten kulturelle Szenen der westlichen Welt ab. Unsere modernen Teppiche sind höchstens traditionell gefertigt – im Design jedoch inhaltlich losgelöst, was natürlich auch unserem Zeitgeist entspricht. So sind alle Kulturgegenstände ein Spiegel ihrer Zeit.
_*„Cocooning“ wird gerade groß geschrieben. Hat der Teppich dadurch wieder an Wert gewonnen?*_
Ja bestimmt. Ein Teppich ist doch super geeignet, es sich zuhause richtig gemütlich zu machen. Ich mache sämtliche Dinge bei mir auf meinem großen Teppich, der wie eine Insel mitten im Raum liegt und mir Wärme und Weichheit spendet.
Wo geht Ihrer Meinung nach der allgemeine Trend hin?
Ich glaube, dass im Moment ein Wechsel vom antiken zum modernen Teppich stattfindet. Nachdem die Euphorie der alten traditionellen Exemplare vorbei war, gab es erstmal lange gar nichts und Teppich war ganz schön out. Jetzt erleben die handgemachten Modelle ein come back aber in ganz moderner Form. In den letzten Jahren sind viele tolle neue Labels entstanden. Neu daran ist auch, dass der Kunde den Teppich nach seinen ganz speziellen Vorstellungen in Größe und Farbe variieren kann. Das ist ein Vorteil von kleineren individuellen Anbietern. Bei uns kann man sogar sein ganz eigenes Design auch maßgeschneidert bekommen.
Wie kommen Sie auf Ihre Ideen?
Das ist ganz verschieden. Bildende Kunst und Kunsthandwerk sind eine große Inspirationsquelle. Es können aber auch Alltagsgegenstände oder tolle Farben sein, die mir zufällig begegnen und zum Entwurf inspirieren. Ich bin quasi Sammlerin: Ich skizziere und fotografiere viel und wähle dann das aus, was mir ein halbes Jahr später immer noch gefällt. Daraus entwickle ich dann die Designs für unser Label „Reuber Henning“.
Was unterscheidet einen teuren Teppich von einem preiswerten?
Die Verwendung einer guten und teuren Wolle ist die grundlegende Voraussetzung für
einen hochwertigen Teppich. Die Verarbeitung von Hand trägt im Gegensatz zur
maschinell gekämmten und gesponnenen Wolle zu einer lebendigen Oberfläche bei, so
wie natürlich das Knüpfen per Hand. Insgesamt behält der teure Teppich viel länger sein
schönes Aussehen, da die gute Wolle auch durch schonende Behandlung elastisch und
widerstandsfähig ist. Mit der Zeit bildet der Teppich eher eine schöne Patina als dass er
platt und abgetreten ist.
Unterschiede gibt es natürlich auch im Design:
Mehrere Knüpf -und Farbproben bei der Entwicklung des Designs sind ähnlich wichtig
wie die Anproben in der Haute Couture.
Unterm Strich: der teure Teppich ist schöner und langlebiger. Ganz wichtig in der Teppichproduktion ist natürlich auch Fair Trade. Angemessene Arbeitslöhne und der Ausschluss von Kinderarbeit schlägt sich auch auf den Preis nieder.
Wie lange braucht ein Teppich vom Entwurf, bis er dann im Laden liegt?
Die Produktionszeit beträgt im Durchschnitt drei Monate. Die komplette Herstellung wird von Hand gemacht, vom Kämmen der Wolle, übers Spinnen bis hin zum Knüpfen und Waschen des Teppichs.
Ihre Teppiche werden von Tibetern in Nepal geknüpft. Warum? Hat das einen Vorteil?
Die Knüpfkunst der Exiltibeter ist bekannt. In Nepal wurde diese Kunst gefördert und weitergegeben. In Nepalesischen Manufakturen mischt sich diese alte Tradition des Teppichknüpfens mit ganz moderner Technik hinsichtlich der Kommunikation und Administration. Unsere Manufaktur ist zudem spezialisiert darauf Einzelstücke anzufertigen. Für gewagtes Design und individuelle Kundenwünsche ist das eine wichtige Voraussetzung.
_*Haben sich die Knüpftechniken geändert oder werden die Muster noch nach alter Tradition gefertigt? Wenn ja, warum?*_
Soviel ich weiß, hat sich die Knüpftechnik nur minimal geändert, da die Handarbeit natürlich den Charakter des Nepalesischen Teppichs ausmacht. Es gibt natürlich auch Manufakturen, die Prozesse beschleunigen, aber diese Teppiche sind dann auch nicht mehr schön. Nepal als Entwicklungsland hat zum Glück einen Mindestpreis für bestimmte Knotendichten, so dass für ganz große billige Anbieter die Produktion dort zu teuer ist.
Was ist der Vorteil an Teppichen? Warum sollten wir sie Zuhause liegen haben?
Teppiche aus Naturmaterialien sind nicht nur schön, sie bewirken auch ein gutes Raumklima. Dadurch, dass der Teppich Feuchtigkeit auf nehmen und abgeben kann, reguliert er die Luftfeuchtigkeit des Raums.
Vielen Dank für das Gespräch Frau Reuber!
Das Interview führte: Sina Koall
Bilder: Franziska Reuber
Weitere Infos unter: www.reuberhenning.de